In den vergangenen sechs Jahren, seit Joachim Lux, damals Intendant des Thalia Theaters Hamburg, die „Lessingtage“ konzipiert hatte, waren drei moderne Theaterstücke aus der Volksrepublik China in Hamburg zu sehen gewesen, und jetzt, im Januar 2015, folgt bereits das vierte.

In den sechzig Jahren zuvor hingegen gab es nur dreimal Gelegenheit, chinesisches Sprechtheater auf Hamburger Bühnen zu erleben, jedes Mal im Thalia: 茶馆Das Teehaus von Lao She, 野人 Yeti – der wilde Mann von Gao Xingjian, dem Literaturnobelpreisträger des Jahres 2000,  und schließlich  东京的月亮 Mond über Tokio von Sha Yexin. Denkwürdig waren alle drei Aufführungen: Das Teehaus, ein Gastspiel des People’s Art Theatre Peking, wurde 1980 im Rahmen der  ersten Auslandstournee eines chinesischen Ensembles gezeigt. Als Lin Zhaohua 1988 den Yeti inszenierte, musste er, des Deutschen nicht mächtig, mit deutschen Schauspielern arbeiten, die kein Chinesisch sprachen. Die regionalen und überregionalen Rezensenten reagierten mit Ratlosigkeit und Häme, das Hamburger Theaterpublik verhalten.  Im Rahmen der Hamburger China-Wochen 1995 schließlich wurde auf Initiative von Studierenden der China-Abteilung, Universität Hamburg, das  People’s Art Theatre Shanghai eingeladen. Nachdem sich Der Yeti  als Flop erwiesen hatte, wurde für Mond über Tokio die kleinere Bühne des Thalia Gaußstraße gewählt. Studierende der China-Abteilung hatten das Stück unter Leitung von Dr. Zhu Jinyang ins Deutsche übersetzt und dem Theaterpublikum in gedruckter Form zugänglich gemacht. Die Aufführung erzielte zumindest einen Achtungserfolg.

Die früheren Begegnungen mit dem modernen chinesischen Sprechtheater in Hamburg hatten nicht ahnen lassen, mit welcher Begeisterung die Inszenierungen von Lin Zhaohua und Meng Jinghui seit 2011 in Hamburg aufgenommen worden sind.

 

Dr. Ruth Cremerius